Noch am Ende des alten Jahres wendete sich die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege Chemnitz mit einem Offenen Brief an Christian Schönfeld, den aktuellen Sprecher der Liga-Verbände auf Landesebene. Damit verbunden ist der Wunsch, dass sich die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen 2017 geschlossen, einheitlich und aktiv für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in sächsischen Kindertagesstätten einsetzt.

Sehr geehrter Herr Oberkirchenrat Schönfeld,

mit großer Sorge verfolgen wir als Liga der Freien Wohlfahrtspflege in der Stadt Chemnitz die Entwicklung der wachsenden Anforderungen an die Leiterinnen und Leiter sowie der Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertagesstätten bei der Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes.

Wir begrüßen, dass die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen sich regelmäßig mit Stellungnahmen, wie zuletzt zum Doppelhaushalt des Freistaates 2017/18 äußert. Wir kennen auch das Positionspapier der Landesliga vom 13. März 2014 zur Kampagne „Weil Kinder mehr Zeit brauchen-für einen besseren Personalschlüssel in Sachsens Kitas“.

Wir nehmen auch zur Kenntnis, dass in dieser Legislaturperiode des Sächsischen Landtags marginale Verbesserungen im Personalschlüssel umgesetzt wurden und werden. Allein dies reicht aber bei weitem nicht aus. Die notwendige Finanzierung von zwei Stunden Vor-und Nachbereitungszeit je ErzieherIn/Woche fand im Doppelhaushalt des Freistaates Sachsen 2017/18 keinen Platz.

Die Graswurzelinitiative, ein Zusammenschluss von Elternvertretern, freier Träger und Erzieherinnen und Erziehern wird in einer Presseerklärung der Kultusministerin Frau Kurth verunglimpft, indem ihr „Parolen und unrealistische Forderungen“ unterstellt werden.

In Wahrheit wissen alle, dass der derzeit im § 12 des Sächsischen Kindertagesstättengesetzes verankerte Personalschlüssel in der Praxis nicht umgesetzt werden kann. Die Folge davon sind Qualitätsmängel in der frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten und ein drastisch erhöhter Krankenstand beim Personal. Nur durch selbstausbeuterisches Engagement der Kolleginnen und Kollegen in den Kitas merken die Eltern der uns anvertrauten Kinder oft nicht, wie schlimm sich die Situation in den Kitas darstellt.

Die gegenseitige Schuld- bzw. Verantwortungszuweisung zwischen Freistaat und Kommunen ist unerträglich und wird auf dem Rücken der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kindertagesstätten ausgetragen.


Wir fordern Sie als Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen auf:

  1. Überarbeiten Sie zeitnah das Positionspapier der Liga vom 13. März 2014. Es muss darin verankert werden, dass sich Sachsen für ein einheitliches bundesweites Kita-Qualitätsgesetz einsetzt, in dem die Mindeststandards der personellen Ausstattung in Kindertagesstätten verbindlich definiert werden.
  2. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Veränderungen nur dann erreicht werden, wenn Stellungnahmen und Gespräche mit Politik und Verwaltung durch den Druck öffentlicher Aktionen unterstützt werden. Andere Beschäftigungsgruppen (Polizei/Lehrer)  haben durch diesen Druck Veränderungen bewirkt. Deshalb sollte durch die Landesliga die Kampagne „Weil Kinder mehr Zeit brauchen“ wieder auf die Agenda gestellt und mit sachsenweiten Aktionen unterstrichen werden. Den Kreisarbeitsgemeinschaften und Stadtligen sollte dazu eine Aktivierungs- bzw. Steuerungsfunktion zugewiesen werden.
  3. Die Landesliga sollte zeitnah eine öffentliche Anhörung im Sächsischen Landtag initiieren. Gegenstand der Anhörung sollten die Erfahrungen bei der Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes in Kindertagesstätten sein. Dabei sollten die fachlichen Anforderungen der Umsetzung des Bildungsplanes mit den tatsächlichen Rahmenbedingungen abgeglichen werden. Zur Anhörung sollten Experten aus Wissenschaft, Theorie und Praxis hinzugezogen werden. Vorhandene bundesweite Studien zur frühkindlichen Bildung in den Kindertagesstätten können dafür eine gute Grundlage bilden.
  4. Unsere Erwartung ist, dass sich die Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Sachsen geschlossen, einheitlich und aktiv für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in sächsischen Kindertagesstätten einsetzt.

Wir als Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in der Stadt Chemnitz werden diesen Prozess nach Kräften weiter mit gestalten.

Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Tautz
(Sprecher der Liga in Chemnitz)